Nachlese Fortbildung Traumamanagement am Gesundheitszentrum Todtnau und die prompte Umsetzung der Inhalte

Am 9.11.2019 fand am Gesundheitszentrum Todtnau eine eintägige Fortbildung zum Thema Traumamanagement statt.

Ich war begeistert von den fast 30 interessierten Teilnehmern aus der ganzen Region, die ihren ansonsten freien Samstag für diese Veranstaltung geopfert haben. Lebhaft diskutierten wir über die formellen Vorgaben und die Herausforderungen bei der Umsetzung in die Praxis.

Natürlich kamen auch aktuelle Reizthemen zur Sprache wie Atemwegsmanagement, Management starker Blutungen, Volumengabe, Notfallsonographie, invasive Massnahmen sowie besondere Patientengruppen.

Über die Diskussion und ein leckeres Mittagessen kam dann das praktische Üben etwas kurz, aber es konnte ein ganzes Arsenal an Geräten (u.a. drei unterschiedliche Sonographie-Geräte) und Werkzeugen ausprobiert werden.

Ich wurde schon gefragt und ich biete es auch gerne an diese Fortbildung zielgruppenorientiert auch an anderen Orten und Terminen ab zu halten. Bei Bedarf kann man sich gerne bei mir melden.

Was für die Region Wiesental intensiv besprochen wurde waren die Zuweisungsstrategien in die entsprechenden Kliniken, das jeweilige Transportmittel und die Schockraumindikationen.

Speziell an unserem Standort haben wir die Schwierigkeit, dass wenn unser Notarzt den nächstgelegenen RTW begleiten muss in großen Teilen unseres gemeinsamen Einzugsgebiets keine rettungsdienstliche Versorgung innerhalb der Hilfsfrist mehr besteht. Daher muss die Indikation zur bodengebundenen Begleitung streng gestellt werden, auch ein Hubschrauber kann nicht immer und auch nicht für jeden Patienten aufgeboten werden.

Es gab schon die Schwierigkeit, dass die angefragte Klinik aus internen Gründen ein Schockraumteam zusammengerufen wurde und man sich dann beklagt hatte, dass der Notarzt den stabilen Patienten nicht begleitet hatte. Die Gleichung Schockraum=instabil=Notarzt ist in meinen Augen nicht ganz korrekt. Aufgrund der Kinetik etc. oder interner Interessen kann ein Schockraumalarm erfolgen, ist der Patient jedoch absolut ABCD stabil, besteht für mich keine zwingende Indikation den Transport zu begleiten, wenn ich dadurch die regionale Abdeckung gefährde.

Zwei Tage nach der Fortbildung kam es in unserem Einsatzgebiet zu einem Verkehrsunfall mit zwei beteiligten Fahrzeugen und drei Insassen. Der eine Fahrer war unverletzt, die beiden anderen Fahrzeuginsassen waren „verklemmt“ (keine schwere Einklemmung, sie können aber nicht aussteigen) aber klinisch stabil. Die Beifahrerin kann schnell durch die Feuerwehr befreit und an die bereitstehenden First-Responder der Bergwacht übergeben werden. Sie hat ein fragliches HWS-Schleudertrauma. Aufgrund der Bauart des Fahrzeugs muss der Fahrer schlußendlich bei Schmerzangabe in HWS und BWS ohne Neurologie sowie durchgehender Stabiität doch durch die Feuerwehr aufwendig technisch gerettet werden. Währenddessen erhalten wir die Information, dass es ca 4km entfernt einen weiteren traumatologischen Notfall gibt. Die Leitstelle fragt an, ob und welche Einsatzkräfte (aktuell Bergwacht, NA und 1 RTW vor Ort) abkömmlich sind. Da der Patient absolut kardiorespiratorisch stabil und wach/orientiert ist, stelle ich mich für den weiteren Einsatz, welcher auch eine Notarztindikation haben soll, zur Verfügung. Der Notfallsanitäter des RTW übernimmt die medizinische Einsatzleitung vor Ort. Eine Bergwachtretterin begleitet mich zum zweiten Einsatz, einem Patienten mit Schulterluxation (DD Fraktur) sowie Commotio cerebri. Der RTW kommt aus ca  40km Entfernung, so dass wir leider längere Zeit auf ihn warten müssen. Der Patient erhält eine Analgesie und wird bestmöglich passiv gewärmt. Auch der Notfallsanitäter dieses RTWs erklärt sich bereit den vorversorgten Patienten allein weiter zu betreuen und ohne NA-Begleitung zu transportieren. So wird es möglich, dass ich wieder zurück an die ursprüngliche Einsatzstelle kann. Dort wurde der eingeklemmte Patient mittlerweile befreit und liegt weiterhin kardiorespiratorisch stabil und voll immobilisert (Halskrause, KED, Spineboard mit Spinne) im vorgewärmten RTW. Es erfolgt gerade die Schockraumanmeldung mit Wirbelsäulentrauma HWS/BWS ohne neurologische Auffälligkeiten nach Hochrasanztrauma und Einklemmung. Auch diesen Transport begleite ich nicht, da sonst weit und breit kein weiteres Rettungsmittel zur Verfügung steht und weiterhin kein Luftrettungsmittel in der Region verfügbar ist.

Beide RTW-Besatzungen wissen aber, dass sie niederschwellig einen NA anfordern können. Die Klinik übernimmt beide Patienten anstandslos.

Am Tag darauf werde ich zu einem Leitersturz aus ca 3m gerufen, der Patient hat eine Schürfung/Schwellung an der Stirn und ist desorientiert. Es bestand keine initiale Bewußtlosigkeit und keine Übelkeit/Erbrechen. Die Pupillen sind isokor und lichtreagibel. Er gibt jedoch Kopfschmerzen an. Entgegen seiner initialen Bekundung  gibt er im Verlauf Schmerzen im cerviko-thorakalen Übergangs an, peripher-neurologische Auffälligkeiten gibt es glücklicherweise nicht. Auch kardiorespiratorisch ist dieser Patient ebenfalls stabil. Das eigentlich zuständige Krankenhaus hat seine Notaufnahme aktuell aufgrund mangelnder Kapazitäten abgemeldet. So erfolgt die Anmeldung im etwas weiter entfernten Krankenhaus mit unfallchirurgischer Abteilung und CT mit V.a. Commotio cerebri und Ausschluss einer Wirbelsäulenverletzung nach Leitersturz aus 3m. Der Dienstarzt sagt mir die Übernahme zu. Die RTW-Besatzung traut sich den eigenverantwortlichen Patiententransport zu, so dass ich auch hier zur Gebietsabdeckung vor Ort bleiben kann, zumal aktuell aufgrund schlechten Wetters auch keine Luftrettung möglich ist.

Das RTW-Team wird im Schockraum erwartet und man zeigt sich erbost, dass kein NA den über 30km langen Transport begleitet hat. Mehrere Tage später gibt ein Oberarzt einem an diesem Tag nicht beteiligten Rettungsdienstmitarbeiter den Auftrag, er solle mir mitteilen, dass mein Verhalten absolut rücksichtslos war, da der Patient schlußendlich eine SAB und eine Wirbelsäulenfraktur gehabt hätte. Die Wahrung der Vertraulichkeit halte ich bei dieser Art der Rückmeldung für zweifelhaft und hätte mir eine persönliche Rückmeldung gewünscht, denn schließlich war über das Protokoll mein Name und der Standort bekannt.

 

Keine Frage, natürlich stehe ich absolut dahinter, dass kritisch erkrankte oder verletzte Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit einer therapeutischen Intervention notärztlich begleitet werden müssen, sofern ein NA verfügbar ist. Dies war in den Augen aller Besatzungen bei diesen Einsätzen jedoch nicht der Fall. Alle Patienten erhielten eine suffiziente Analgesie und eine prophylaktische Gabe eines Antiemetikums. Alle waren nach ihren Bedürfnissen immobilisiert und monitorisiert, so dass meine Anwesenheit in meinen Augen keinen Unterschied gemacht hätte.

Ich stelle mich der geäußerten Kritik und nehme sie mir auch zu Herzen, daher möchte ich die Fälle hier selbstkritisch vorstellen um zur Diskussion an zu regen.

Meine Absicht ist viel mehr, dass recht schnell Vorgaben definiert sind, aber es nicht immer praktisch umsetzbar ist, gerade in Zeiten eines Mangels an Rettungsmitteln v.a. im ländlichen Raum.