Ich bin erst verzögert auf den Zug der Social Media aufgesprungen und sehe sie auch nicht gänzlich unkritisch. Ich sehe jedoch in ihnen eine große Ressource und Chance unser Leben gut vernetzt und effektiv zu gestalten.
Eng verbunden damit ist die sogenannte FOAMED-Bewegung („free open accesss medicine), wo offen und frei medizinische und verwandte Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Zwar sind diese Inhalte nicht immer wissenschaftlich „astrein“, sondern spiegeln häufig auch Einzelmeinungen wieder, aber die meisten Autoren und Protagonisten dieser Szene sind sich ihrer Verantwortung bewußt und stehen namentlich hinter ihren Beiträgen.
Meine persönliche Initialzündung war meine Teilnahme an der Konferenz DasSMACC 2017 Berlin. Ich bin anhaltend beeindruckt von den tollen Eindrücken und wundervollen Begegnungen dort, wie ich es noch nie bei einem Kongress o.ä. erlebt habe. 2019 ist SMACC in Sidney, mal schauen...
Ein weiteres Jahreshighlight war für mich die Einladung zur ersten youngDGINA Winterschool in Tübingen, also der Gruppierung junger Notfallmediziner in der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e.V.. Organisiert wurde diese Premiere von meinem geschätzten Freund Navid Azad und seinen Kumpanen ;-), wie konnte ich da zur der ehrenhaften Einladung "nein" sagen? Selbst wenn das erarbeitete Programm auch für mich selbst sehr lohnenswert war (ich allerdings aus Altersgründen nicht mehr zur Zielgruppe der youngDGINA gehöre), so sagte ich doch zu mich so gut ich kann aktiv ein zu bringen.
So begann ich die Veranstaltung als "gutes Gewissen" bei einer offenen POCUS-Session und freiem Üben am SALAD-Airwaytrainer am ersten Abend. Am Tag darauf durfte ich einen Vortrag zu den Human Factors und Performance in der Akutmedizin abhalten sowie hat unglaubliche Freude als Instruktor bei einer Simulationseinheit zusammen mit meinem "alten" Freund und notfallmedizinischen Haudegen Felix Lorang. Abgerundet wurde der Tag als Tutor bei einem POCUS-Workshop und einer Podiumsdiskussion zur Zukunft der deutschen Notfallmediziner. Es war mir eine Ehre mit mehreren DGINA-Vorstandsmitgliedern incl. Präsident Martin Pin sowie weiteren Experten aus großen deutschen Notaufnahmen auf der Bühne Platz zu nehmen. Den Tagesabschluss bildete ein Gemeinschaftsabend, bei dem ich viele "alte" Freunde wieder traf bzw. neue Kontakte knüpfen konnte.
Auch wenn ich den letzten Veranstaltungstag nicht ganz verfolgen konnte würde ich die Veranstaltung pauschal als mehr als gelungen bzw. überragend bezeichnen.
Ich war sehr angetan wie harmonisch das an sich heterogene multiprofessionelle Teilnehmer zusammen agiert und höchst engagiert zusammengearbeitet hat. Jedem Kritiker der "jungen Generation" sei beruhigend gesagt, dass noch nicht alles verloren ist ;-) Im Gegenteil: Es gibt viele engagierte, motivierte und innovative Köpfe, deren Willenskraft es zu erhalten und zu fördern gilt. Ich empfinde den aufstrebenden Nachwuchs nicht als Konkurrenz, sondern als Beruhigung, denn Arbeit gibt es doch überall mehr als genug. Wenn man dann nicht nur diese Arbeit besser gestemmt, sondern auch noch konstruktiv und (inhaltlich) gewinnbringend vorangebracht bekommt, ist es doch ein großer Gewinn. Und somit mache ich mir auch um mich keine Zukunftssorgen, denn neben der Patientenversorgung kommt mehr und mehr die Aufgabe des Ausbilders, Coaches und Mentors auf mich zu, der dazu beitragen muss, dass sich der aufstrebende Nachwuchs bestmöglich entwickeln kann. Dies bedeutet nicht, dass ich lästige, mühsame und anstrengende Begleitumstände gänzlich beseitigen kann, so eine rosarote Brille habe nicht mal ich. Zudem bin ich der Meinung, dass es nicht schadet, wenn der eigene Wille zur angestrebten Tätigkeit durch eine eingeforderte Anstrengung geprüft wird. Die Menschen, die großartiges geleistet und gewaltiges erreichen konnten, haben dies nicht "by-the-way" und mühelos geschafft, sondern durch "Blut, Schweiß und Tränen".
Dieser pathetische Ausspruch kommt übrigens aus dem Song "Erfolg ist kein Glück" von Kontra K. Dieser Song stellt für mich eine große Motivation und Inspriration dar, da man den Text eigentlich 1:1 auf viele Bereiche wie u.a. Sport und auch das Berufsleben übertragen kann. Ich wünsche Jedem, der seinen Erfolg durch Glück erreichen will - alles Gute, bin aber nicht sehr hoffnungsvoll. Bekanntlich gewinnt bei jedem Glücksspiel nämlich schlußendlich immer die Bank.
Wer also etwas zäh und ausdauernd sowie zu Anstrengungen bereit ist, wird schlußendlich erfolgreicher sein, wie auch immer Erfolg individuell definiert wird.
Ich bin gerade aus Mallorca von einem Treffen mit einigen MME Kommilitonen zurück gekehrt. MME steht für den Studiengang "Master of medical education", den ich zwar besucht und hierdurch sehr viel gelernt, aber leider bisher nicht abgeschlossen habe. Bereits vor zwei Jahren haben wir uns zu einer Art "Klassentreffen" im Kloster Randa auf Mallorca getroffen, nun zog es uns an diesen besinnlichen Ort zurück. "Gott sei Dank" haben diese historischen Gemäuer rein gar nichts mit Ballermann & Co zu tun, es ist vielmehr ein stilvoller Ort der Stille und Regeneration.
Dieses Jahr waren es zwar nur neun ehemalige Studierende der 11. deutschen MME-Kohorte, wir haben dafür um so mehr für den Einzelnen erreichen können. Jeder stellte in lockerer und gleichzeitig konzentrierter Atmosphäre die aktuellen Projekte vor und die anderen Anwesenden kommentierten die Präsentation und stellten ihrerseits Rückfragen. So entstand ein fruchtbarer und konstruktiver Dialog. Ehrlich gesagt hatte ich es nicht erwartet, dass sich solch eine produktive Arbeitsatmosphäre einstellt, ich war also positiv überrascht. An zwei Nachmittagen nutzen wir die vorhandenen Mietwagen und erkundeten damit die wunderschöne Insel. Aber auch hierbei kam es wiederholt zu intensiven und von mir als sehr bereichernd empfundenen Gesprächen. Unter dem Motto "Gedanken kommen beim Reden" entwickelten wir viele Ideen und reflektierten gemeinsam vergangene Ereignisse. Es ging somit also deutlich über unser gemeinsames Interesse an der Medizindidaktik heraus. Nicht nur, aber insbesondere in den besuchten Kirchen gab es auch intensive Momente der Stille, Ruhe und Besinnung; für mich erneut sehr kraftvolle und energiespendende Momente.
Eins ist klar: Wir wollen diese konstruktiven Treffen beibehalten, auch wenn all unsere Terminkalender gut gefüllt sind, da sie einen großen persönlichen und gemeinschaftlichen Gewinn darstellen - ich freue mich schon jetzt darauf die hoch geschätzten Kollegen wieder zu treffen.
Aber warum schreibe ich hier von dieser Art Bildungsreise?
Zum Einen weil wir dort gemeinschaftlich mein Engagement im Bereich FOAMED, eigenem Blog, Social Media & Co mit all seinen Vor- und Nachteilen sowie potentiellen Gefahren lebhaft aber konstruktiv reflektiert und diskutiert haben. Die meisten meiner Kollegen haben bisher keine Erfahrungen in diesem Bereich und sind somit unvoreingenommen. Ich bekam viele für mich sehr wertvolle Rückmeldungen, die ich mir zu Herzen nehmen und konstruktive Schlüsse daraus ziehen will. Ich danke meinen Kollegen herzlich für ihren Input, der mir sehr geholfen hat und mich auch nachhaltig voranbringen wird.
Zum Anderen bin ich extrem dankbar für die vielen Impulse auf dieser kurzen Reise und ich kann nur Jedermann ermutigen sich auch mal eine Auszeit zu gönnen, was elementar zur eigenen Achtsamkeit und Resilienz beiträgt. Einfach mal die Ruhe einer Kirche genießen, den Blick über eine wundervolle Landschaft schweifen lassen, sich mit Zeit, Genuß und Dankbarkeit seinen Mahlzeiten zuwenden und/oder tiefsinnige Gespräche führen.
Es braucht sicher nicht jeder für solche segensreichen Momente nach Mallorca reisen, sondern es geht mir viel mehr darum, dass ich an Jeden appellieren will nach solchen ganz individuellen Wegen zu suchen und Kraft daraus zu schöpfen, die wir dringend in unserem trutzigen Alltag brauchen.
Danke meine Freunde für die wundervollen Tage auf Mallorca, "vergelts Gott"!
Einige kennen sicher schon die Reportagen über die Kollegen des London Air Ambulance Service. Hier kann man auch mal sehen, dass REBOA, Clamshell & Co tatsächlich unter bestimmten Voraussetzungen wirklich präklinisch machbar sind.
Heute geht es mir aber viel mehr um die Serie "Air Ambulance ER", welche man problemlos auf YouTube ansehen kann:
https://www.youtube.com/results?search_query=air+ambulance+er
Aber warum schau ich mir denn überhaupt so etwas an? Um Missverständnisse zu vermeiden: Ja, ich habe schon genug Hubschrauber fliegen, Blut fließen und Blaulichter flackern gesehen, ich muss es nicht aus dem Internet ziehen. Aber ich schaue gern über meinen persönlichen Tellerrand und interessiere mich sehr für die Arbeit meiner nationalen und internationalen Kollegen, weil ich überzeugt bin mir immer etwas abschauen zu können.
Die Serie ist gut gemacht: Sie ist auf Laien ausgerichtet und an diese Zielgruppe richtet sich auch der Sprechertext. Auf diesen achte ich weniger, mir geht es viel mehr um die Interaktion, Kommunikation und das Teammanagement im Einsatz. Der britische Humor lockert das Ganze noch auf.
Im Vergleich werden auch schnell die Besonderheiten des britischen Gesundheitssystems offensichtlich. Zwar ist alles staatlich über den NHS organisiert, aber die Mittel sind mehr als begrenzt. So ist das Notarzt- und Luftrettungswesen überall eine Charity-Einrichtung. Fehlen die notwendigen Spenden, egal ob in London oder auf dem Land, kann dieser Service auch kurzfristig nicht mehr angeboten werden, Daher informieren diese Einrichtungen auch bereitwillig von ihrer Arbeit und streben über Informationen aller Art nach dem Vertrauen der Bevölkerung. Klar, der Critical Care Paramedic hat in GB mehr Kompetenzen als der RA/NFS in Deutschland, dennoch wird offensichtlich, dass es auch dort dennoch mehr als eine Berechtigung für ein Notarztwesen für spezielle Interventionen gibt. Dies erinnert mich etwas auch an meine Tätigkeit in der Schweiz, es geht nicht darum "da zu sein, falls mal was ist", sondern man wird aufgrund seiner Zusatzkompetenz angefordert und muss dann vor Ort aber auch liefern.
So sieht man fast in jeder Folge den Einsatz der präklinischen Sonographie, aber auch der Einsatz von chirurgischen Techniken. Die Kollegen machen in meinen Augen einen klasse Job, sicher mit dem Bias, dass die Kameras dabei sind und die Szenen auch sicher gut ausgesucht werden. Dennoch ist es für mich ein recht realistischer Einblick in die Arbeit der britischen Kollegen und zudem für mich persönlich ein gute Möglichkeit die vorgestellten Einsätze mental zu simulieren. So drücke ich gelegentlich die Stop-Taste und prüfe meine "Situation Awareness" sowie "Decision Making / Task Management". Dann schaue ich mir an, wie die Kollegen den Fall lösen und gleiche es mit meinen Ideen ab. Klar kann man vom heimischen Sofa aus einfacher Entscheidungen treffen als im Gewusel vor Ort, aber eine gute Übung ist es für mich allemal. Zudem habe ich ja auch sonst kaum eine Gelegenheit mehr Kollegen im Einsatz zu begleiten, weil ich dann immer selbst involviert bin und somit aktiv werden muss, was mich aus der sachlich-nüchternen Beobachterrolle drängt.
Also, wer Lust hat schaut rein, ansonsten halt nicht, muß ja nicht jeder den gleichen Spleen haben wie ich :-)
PS: Darauf könnte man beispielsweise achten...
- Verwendung eines RSI-Protokolls
- Möglichkeiten der präklinischen Sonographie
- Boogie-Technik als Standardvorgehen bei der RSI
- Frakturversorgung
- Präklinische Gabe von Blutprodukten, hingegen keine Standad-Infusion "zum offen halten"
- Übergabe-Procedere (wobei ich hier die Struktur der Londoner Kollegen im Royal London Hospital etwas vermisst habe)
- Bauweise der britischen RTWs und den praktischen Konsequenzen für Intubation & Co
Herzlichen Dank an die Kollegen von FOAMINA (www.foamina.blog), die mich auf diesen Vortrag auf scanFOAM (www.scanfoam.org) aufmerksam gemacht haben.
Cliff Reid ist mir schon seit Jahren ein großes Vorbild und "Role model": Er ist "Director of Training" des "Greater Sydney Area HEMS" (www.sydneyhems.com). Er hat auch seine Eigene Homepage www.resus.me, auf der es viel Lehrreiches zu entdecken gibt.
Dieser wahnsinns Typ hat nun mal wieder einen echten Kracher vom Stapel gelassen, um es mal sachlich aus zu drücken.
In meinen Augen kommt jeder, der sich für Medical Education in der Akutmedizin interessiert nicht um folgenden Vortrag drum herum. Diese 30min sind eine gut investierte Zeit und vollgestopft mit Informationen und Inspirationen. Höchst professionell und mit sehr hohem Aufwand bewältigt man bei GSA HEMS die Herausforderung, dass alle 6 Monate eine recht hohe Zahl von neuen Rotanden (Ärzte wie Paramedics) eingearbeitet und geschult werden müssen. Vermutlich kann nicht überall solch eine luxuriöse Ausbildung stattfinden, aber eine Scheibe davon kann sich sicher jeder abschneiden und umsetzen.
Hier nun also der Link zum Vortrag " Training HEMS teams":
https://scanfoam.org/cliff-reid-training-hems-teams/
Im Zentrum stehen seine 10 Thesen zu diesem Thema:
- Link GOVERNANCE & TRAINING
- Get HANDS ON
- Train TEAMS not INDIVIDUALS
- Install the MINDWARE
- TRAIN as you FIGHT
- Use REAL TISSUE
- What is TESTED is LEARNED
- PUSH the LIMITS
- Get GREAT HELP
- Get FEEDBACK
Also, ich kann nur empfehlen sich eine halbe Stunde in Ruhe Zeit zu nehmen und sich medizindidaktisch begeistern zu lassen!
Nachtrag 28.09.2018:
Und hier noch ein Link zum RAGE Podcast. Cliff Reid und Brian Burns berichten hier in ca. 20min von ihren lehrreichen Erfahrungen bei einem ATACC Kurs in GB. Ebenfalls absolut hörenswert und interessant zu erfahren, wie hilfreich es ist auch als erfahrene Notfallmediziner und Ausbilder mal wieder in die Teilnehmerrolle zu schlüpfen.
https://litfl.com/minirage-atacc/
Und hier noch ein paar lehrreiche Videos der Simulationen von Cliff Reid und seinen Kollegen:
Und noch zwei Vorträge von Cliff zu "Prehospital Trauma Education" von 2014 und vom SMACC-Kongess zum Thema "Making things happen"
Und noch eine Videosammlung von Vorträgen zum Thema ECMO und eCPRaus der gleichen Gruppe:
https://www.youtube.com/channel/UCLP-So9pxzp5TgZLDysxIhQ/videos
ÜBRIGENS: HIER WIRD ZWAR EIN EXZELLENTES AUS- UND FORTBILDUNGSPROGRAMM AUS DER LUFTRETTUNG VORGESTELLT, ABER DIE INHALTE UND ZIELE GELTEN EIGENTLICH AUCH 1:1 FÜR ANDERE RETTUNGSDIENSTE, NOTAUFNAHMEN, INTENSIVSTATIONEN...DA SOLL ES KEINE AUSREDEN GEBEN.
Am 9.9.2018 habe ich beim Stöbern auf der lehrreichen Seite von #dasFOAM einen Beitrag zu den Lewis-Leads gelesen:
https://dasfoam.org/2018/09/07/lewis-ableitung/#more-8906
Am 10.9.2018 hatte ich dann auf Station den Auftrag bei einem Patienten mit einer TAA eine elektrische Kardioversion in Kurznarkose vor zu nehmen.
75J sync. blieben ohne Erfolg. Bei 125J sync. kam es zur Rhythmusänderung in eine regelmäßige Schmalkomplextachykardie mit knapp 140/min.
Aber was für ein Rhythmus sollte es nun sein?
- Sinustachykardie? (keine P-Wellen aus zu machen, kein Grund hierzu in der Kurznarkose)
- Re-Entry-Tachykardie? (keine entsprechende Anamnese, zum Nachweis wäre eine Adrekar-Gabe notwendig)
- Vorhofflattern mit klassischer 2:1-Überleitung? (kein Sägezahnmuster erkennbar, nicht einmal im 12-Kanal-EKG)
Hhhmmm, was nun: Sollte ich nun tatsächlich mal die Lewis-Ableitungen anwenden, wie sie im Blog von #dasFOAM beschrieben wurden (s.o.) anwenden? Kostet ja quasi nichts und ist nicht-invasiv und nebenwirkungsfrei.
Und siehe da: Es funktioniert - ein astreines Vorhofflattern wie es sogar ich als Gasmann erkenne!
Also, Mission noch nicht erfüllt, eine erneute Kardioversion ist indiziert, dank Lewis-Lead!
(die unbeschriftete Ableitung ist ein Ausdruck der Paddels-Ableitung in ap-Position, das 12-Kanal-EKG war aber auch nicht aussagekräftiger)