Fallbericht: Geriatrischer Sturz Nr.2

Durch den Rettungsdienst wird in unserem Gesundheitszentrum ein über 80jähriger Herr vorgestellt, nachdem er häuslich aufgrund Schwindel (bekannt) aus dem Stand zu Boden gefallen ist. Eine initiale Bewußtlosigkeit bestand nach Angaben des Patienten nicht, er zeigt auch keine weiteren Zeichen eines SHT. Es schmerzt jedoch seither die linke Thoraxseite, Atemnot wird verneint. Die erhobenen Vitalparameter sind unauffällig und der Patient auch gefähig.

Da das Röntgen gerade noch belegt ist, wird zunächst eine Notfallsonographie des Thorax durchgeführt. Hier zeigt sich bei grundsätzlich schlechten Sonographiebedingungen bereits ein aufgehobenes Pleuragleiten, ein relevanter Erguss/Hämatothorax kann hingegen ausgeschlossen werden.

Das durchgeführte Röntgenbild ist dann eindrücklich: Es stellt sich leicht sichtbar eine Rippenserienfraktur links mit deutlicher Dislokation und somit Instabilität der Thoraxwand dar. Ebenso bewahrheitet sich der Pneumothorax sowie ein erhebliches Hautemphysem links.

Da es keine Hinweise auf einen Spannungspneumothorax gibt und der Patient respiratorisch stabil ist, wird auf die Anlage einer Thoraxdrainage zunächst verzichtet und stattdessen der Senior per erneut hinzu gerufenem Rettungsdienst zur stationären Therapie in die Klinik verbracht.

 

Was kann man aus diesem Fall lernen?

 

-      Auch hier zeigt sich erneut, welch kleine Unfallkinetik zu einem schweren und potentiell lebensbedrohlichen Trauma führen kann.

-      Die Besatzung des RTW handelt vollkommen korrekt und empfiehlt dem oligosymptomatischen Patienten nach scheinbarem Bagatelltrauma die Vorstellung beim Arzt zum Ausschluss einer relevanten Traumafolge und führt auch den Transport durch. Auch wenn der Patient keine Umstände machen und eigentlich nicht ins KH will, willigt er ein – zumal ihm eine Vorstellung am örtlichen Gesundheitszentrum mit der Möglichkeit einer konventionellen Röntgendiagnostik und Sonographie angeboten werden kann. Nach Demonstration der Röntgenbilder willigt der verständige Patient auch dann der stationären Aufnahme zu.

-      Also, ein weiteres Beispiel für die notwendige Demut gegenüber geriatrischen Patienten und für ein empathisches Handeln, um den Patienten von einer weiteren Behandlung zu überzeugen.

-      Grundsätzlich wäre dieser Patient mit diesem Thoraxtrauma ein sehr guter Kandidat um nach der Intubation (aus welchem Grund auch immer) und Überdruckbeatmung ein Spannungspneumothorax zu entwickeln. Die Thoraxhaut ist intakt, die Luft kann nicht nach extern entweichen. Bereits bei (Unterdruck-) Spontanatmung bildet sich durch die Lungenverletzung bedingt durch die dislozierten Rippen ein relevanter Pneumothorax und erhebliches Hautemphysem aus.

-      Der präklinische Nachweis eines Pneumothorax bedeutet nicht gleichzeitig auch die zwingende Notwendigkeit der Anlage einer Thoraxdrainage. In diesem Fall konnte unter lückenloser Überwachung und anhaltender kardiorespiratorischer Stabilität abgewartet werden. Für die Anlage der Drainage bräuchte es zudem auch folgende Voraussetzungen: 

o  Notwendiges Equipment vorhanden (ja)

o  Anwenderexpertise vorhanden (ja)

o  Intubationsmöglichkeit bei Verschlechterung vorhanden (ja)

o  Möglichkeit der Blutungskontrolle bei Komplikationen wie einer Blutung aus einer Interkostalarterie durch die Rippenfraktur oder die Anlage der Thoraxdrainage (nein außerhalb der Klinik)

o  Hohe Rate an antikoagulierten Patienten oder allgemeiner Blutungsneigung im geriatrischen Patientengut.