Je oller, umso doller, und daher hat mir meine Familie einen langjährigen Wunsch erfüllt und ich probiere gerade im Urlaub Langlauf aus, genauer gesagt die Skating-Technik.
Auch wenn ich sicher kein Naturtalent bin habe ich große Freude an dieser für mich neuen Bewegungsart. Als Kind war ich klassisch auf Langlauf-Ski unterwegs, ist aber ehrlich gesagt auch schon 30 Jahre her, so dass ich nicht wirklich behaupten kann auf diese alten Erfahrungen zurück greifen zu können.
Ich sehe die neuen Erkenntnisse für mich nicht nur mit sportlichen Augen, sondern auch in Bezug auf Erwachsenenpädagogik und Sportwissenschaft. Ich kann es wohl mit der Metaebene nicht lassen...
Es ist für mich interessant zu beachten wie Kinder sich schlagen, bekommen sie das erste Mal Langlaufski angeschnallt. Sie probieren, sie schauen ab....ahmen nach... und werden rasch besser.
Ich alter Knabe mit Fachbuchfetischismus bin es anders angegangen: Zunächst habe ich zwei reich bebilderte Bücher zur Skatingtechnik gelesen und habe die Bewegungen mehrfach mental simuliert. Dann habe ich bei den Sportübertragungen im Fernsehen mal genau hingesehen. Nicht weil ich glaube ich könnte jemals so flink über die Loipe fliegen, sondern um mir die Grundbewegungen immer und immer wieder an zu sehen.
Aber warum nimmt der Geizkragen denn sich keinen Lehrer oder besucht einen Kurs? Das werde ich sicher auch noch machen und freue mich drauf, aber ich war neugierig und wollte mir beweisen, wie weit ich auch autodidaktisch komme. Dies ist zwar anstrengender und zeitraubender als sich in einem Kurs berieseln zu lassen, aber autodidaktisch ist in meinen Augen oft nachhaltiger und man kann dann mit professioneller Unterstützung größere Schritte machen, wenn man die Grundbewegungen bereits beherrscht.
Also hab ich mir nun die schmalen Latten angeschnallt und bin auf die Loipe marschiert... und... bin auf den Hintern geknallt. Immerhin war es bis dahin auf abschüssigem Gelände nicht anstrengend, aber zielführend war es eben auch nicht mit einer Abfahrt zu beginnen. Auch beim anschließenden wechselnden Gelände tat ich mir schwer meine guten Vorsätze in die Tat um zu setzen. Spass hat es mir schon gemacht, und es kam zu keinem Einsatz der Bergrettung bzw. es blieben alle Knochen ganz, aber der Durchbruch war es noch nicht.
Der kam heute viel mehr in der zweiten Session, als ich mich bewußt „gezwungen“ habe anderthalb Stunden auf einem präparierten und ebenen Trainingsgelände stur im Kreis zu fahren. Dabei habe ich so viele Übungen und Bewegungsarten durchgespielt, wie ich sie mir aus den Fachbüchern merken konnte. Und siehe da, es kommt eben nicht nur auf Motivation, sondern auch auf Konzentration und Disziplin an. Nun freue ich mich schon zuversichtlich auf neue Versuche nicht nur auf dem Übungsplatz, sondern auch auf der Loipe. Es war mal wieder sehr erstaunlich mir ein zu gestehen, wie kurz man sich nur konzentrieren kann, ehe man wieder technisch unsauber wird und Fehler macht.
Aber warum schreibe ich es hier auf diesen Notfallmedizin-Blog?
Weil ich glaube, dass es nicht nur mir so geht bzw. die Verhältnisse nur beim Langlauf so sind. Ich denke es ist problemlos auf andere Bereiche der Erwachsenenbildung übertragbar: Immerhin können Erwachsene sich viele Fakten auch anlesen und Abläufe mental simulieren. Soweit die Vorteile, aber sie brauchen aber für neue Lerninhalte deutlich länger als Kinder. Erwachsene verlieren oft die Beobachtungsgabe und die Fertigkeit durch Nachahmung besser zu werden. Zudem genießen beide Dinge bei Erwachsenen auch keinen guten Ruf – wer will schon beim abschauen enttarnt werden. Ebenso können wir Erwachsene nicht mehr über längere Zeit unsere Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. In der Pädagogik ist oft von 20min die Rede (was ja immerhin weniger als eine normale Schulstunde ist), aber ich denke es ist sogar noch deutlich weniger wenn es ein hohes Maß an Konzentration bedarf.
Und wie ist es in unserem reellen beruflichen Kontext? Sich bei Kongressen berieseln zu lassen ist ja schon inspirierend, aber man kann kaum nachhaltig Inhalte merken geschweige denn praktische Fertigkeiten verbessern. Aber dafür gibt es ja dann Workshops, wo man in 90min durch viel zu viele Fertigkeiten und Abläufe tobt und eigentlich viel zu wenig zum Üben kommt. Es ist also auch nicht der Weisheit letzter Schluss, genauso wie reine Buchlektüre oder E-Learning. Es ist eine auf Erwachsene abgestimmte Methodenvielfalt und Vermittlungsweise gefragt. Ich möchte versuchen möglichst viel von diesen Selbsterkenntnissen in meine praktische Lehrtätigkeit übertragen, aber auch hier wird gelten – „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“.