Urlaubslektüre Teil 2: Sport- und Ernährungsmedizin

Aktuell weilen wir auf Elba und genießen den dringend notwendigen Jahresurlaub. Ich habe mir (eigentlich zu) viel für die zwei Wochen vorgenommen: Der Familie zumindest etwas Zeit zurückgeben, die sie sonst oft auf mich verzichten müssen, selbst etwas erholen und zur Ruhe kommen.... die Sonne auf den Pelz scheinen lassen.... Sport treiben um somit etwas Abstand zwischen meinem BMI und der echten Adipositas zu bringen...dennoch die herrlich italienische bzw. mediterrane Küche genießen u.v.m.

Und von der Fachliteratur konnte ich auch die Finger nicht lassen: Diesmal hatte ich mir im Vorfeld aber ausnahmsweise keine klassisch notfallmedizinische Literatur ausgesucht, sondern zur Sport- und Ernährungsmedizin. Ich will die Kenntnisse in erster Linie für mich selbst nutzen, um mich dann ggf. später in diese Bereiche richtig zu vertiefen. Aber natürlich lese ich es dennoch mit den Augen eines Notfallmediziners, ich kann wohl nicht anders...

Praktische Sportmedizin

Hier konnte ich gut meine alten Kenntnisse auffrischen und durfte viel Neues lernen. Mir wurde wieder vor Augen geführt, dass auf fast alle Körperfunktionen Sport eine förderliche Wirkung hat. Wie viele Therapien (zumeist medikamentös) könnte man sich sparen, wenn man die individuellen sportlichen Möglichkeiten ausschöpfen würde? Die Liste ist fast unendlich lang: Bluthochdruck, Diabetes, Rückenschmerzen, Gefäßveränderungen, Depressionen, usw usw. Man kann sicher nicht alles mit Sport heilen, aber vieles unter Kontrolle behalten. Jedoch kann es auch schnell zu typischen Schäden dadurch kommen. Als Jugendlicher hatte ich mal plötzlich einsetzende heftigste Hüftschmerzen beim Sprint. Es gab ein hin und her, schlußendlich wurde bei einem Orthopäden (und angeblich Sportmediziner!) ein natives Röntgenbild angefertigt. Er vermutete eine sich selbst reponierte Hüftluxation aufgrund eines zu steilen Winkels des Oberschenkelhalses. Er schlug in einer weit entfernten Klinik eine Umstellungsosteotomie vor, „nach vier Monaten könnte ich dann schon wieder recht gut laufen...“. Da es schulisch eine Katastrophe gewesen wäre verzichtete ich auf dieses „Angebot“. Es kam nie wieder zu einer „Hüftluxation“ bei mir, viel mehr glaube ich nun, dass ich damals einen Apophysenausriss hatte, eine klassische schwere Sportverletzung bei jungen Menschen. Mir geht es jetzt nicht darum alte Kamellen nochmal auf zu wärmen, aber wenn ich mir vorstelle ich hätte mir damals vielleicht unnötig den Oberschenkelknochen zersägen lassen....

Sport wurde ja geschichtlich auch dann erst richtig zum „Volkssport“, als die Menschen mehrheitlich nicht mehr körperlich hart arbeiten mussten und ihre Kraft und Ausdauer dann für sportliche Aktivitäten aufbringen konnten. Bedeutet dann aber auch, dass es bei vielen anstrengenden (beruflichen) Tätigkeiten (respektive Arbeitsmedizin/ D-Arzt) recht viele Parallelen zur Sportmedizin gibt. Weiter war für mich der Einblick in die Welt des Dopings auch lehrreich: Welche Medikamente darf ich als Allgemeinmediziner bzw. Notarzt bei Sportlern ohne anschließende Meldung geben und welche nicht? Wie kommt der betreuende Haus- und Sportarzt ggf. mit, dass sein Patient Kontakt mit Doping-Substanzen hat?

Aufgewärmt hat es bei mir auch nochmal die Gedanken zur sanitätsdienstlichen Betreuung von Sportveranstaltungen. Welcher Sanitätshelfer hat den schon einmal vom PECH-Schema gehört und wo werden die entsprechenden Materialien denn vorgehalten? Oder muss dies durch den Veranstalter geschehen? Ich habe da den Eindruck, dass es da noch Verbesserungsbedarf gibt den sportmedizinischen Bedürfnissen und Wünschen der Sportler gerecht zu werden. Beispiel: Vielleicht wird ein Tourniquet und Tranexamsäure bei der Sportveranstaltung vorgehalten, aber keine Kühlmittel und Kompressionsbinden im Sinne des PECH-Schemas. Ich finde es auch erschreckend, dass bei vielen Sport-Events ein Arzt vor Ort sein muss, der aber nicht zwingend dafür auch geeignet sein muss... Ich finde es jedenfalls nicht einfach zu entscheiden, ob der Spieler mit seinen OSG-Schmerzen weiterspielen darf oder ausgewechselt werden muss (was ja Einfluss auf das Endergebnis haben kann) ... oder wie ist es mit dem kurzzeitigen Bewußtseinsverlust nach Schlag/Anprall gegen den Kopf? Sicher kann nicht überall ein ausgebildeter Sportmediziner mit zusätzlichen soliden notfallmedizinischen Kenntnissen und Fertigkeiten vorgehalten werden, aber es gibt da sicherlich noch einigen Fortbildungsbedarf und ich bin nun froh, mich zumindest etwas hierzu belesen zu haben, wohlwissend, dass ich dadurch keinen Expertenstatus erlangt habe.

 

Sport und Ernährung

Ich muss ja gestehen, ich habe im Vorfeld bezüglich dieser Thematik meine Kenntnisse völlig überschätzt und habe einige zum Teil schwerwiegende Fehler gemacht. Glücklicherweise war der einzigst Leidtragende nur ich selbst. Im Medizinstudium wird die Ernährung ja nur minimal gestreift, dafür gibt es für Sportler eine Unmenge an entsprechenden Informationen und mitunter hochpreisigen Produkten. Doch leider ist ein Großteil dieser Informationen falsch bzw. zumindest aus dem Kontext gerissen. Ich möchte gar nicht wissen, wie wohl manche meiner Sportwettkämpfe in meiner Vergangenheit verlaufen wären, wenn ich mich an die wirklich evidenzbasierten Aussagen zur Ernährung bei Sportlern gehalten hätte, ich glaube ich hätte mir viel Elend erspart.

Klar, ich habe es eben auch persönlich schwer, denn es ist so gut wie unmöglich konsequent und rasch Gewicht ab zu nehmen und dennoch genug Energie- und Kraftreserven auf Wettkampfniveau bereit zu halten. Es entspricht der Quadratur des Kreises. Wenn man sich dessen aber bewußt ist, kann man Prioritäten setzen: Ich möchte weiterhin mein Gewicht (dann halt langsam) wieder in den Griff bekommen, erreiche dann aber halt nicht mein sportliches Optimum. Ich akzeptiere aber auch meinen Waschbärbauch, wenn ich dafür bei meiner nächsten Ausdauerbelastung nicht „verhungere“, weil mir die nötige (schnell verfügbare) Energie fehlt.

Die Aussagen des Buches sind jedenfalls scheinbar alle gut begründet und somit in sich schlüssig, dennoch würde ich als kritisch denkender Mensch nicht zu 100% dahinterstehen. Das braucht es aber meiner Meinung nach auch nicht, wie immer werden mehrere Wege zum Ziel führen.

Ich möchte hier nochmal den Aspekt vom ersten Buch aufgreifen, dass sich Sport und eine anstrengende berufliche Tätigkeit sehr ähneln. Beim Sport achten wir akribisch drauf wieviel wir was wann trinken und wann wir uns den nächsten Energieriegel reinschieben. Aber wie oft habe ich schon nach meiner Schicht unter Kopfschmerzen gelitten, weil ich viel zu wenig getrunken habe. Oder das klassische Vesper in der Umkleide, weil es während der Schicht mal wieder zeitlich scheinbar nicht gereicht hat. Warum glauben wir im Gegensatz zum Sportler auch mit leerem Magen und Volumendefizit mentale und physische Höchstleistungen zu erbringen? Die Datenlage ist in dieser Hinsicht eindeutig, wir Menschen haben leider nichts mit einem genügsamen Kamel gemeinsam, wir sind leider an eine regelmäßige Zufuhr an Flüssigkeit und Nahrung angewiesen, sonst lässt unsere Leistung rasend schnell nach, was wir uns aber nie eingestehen wollen. Ich bin mir selber diesbezüglich leider auch wieder untreu geworden, aber ich will jetzt wieder streng drauf achten immer eine Wasserflasche und einen kleinen Snack dabei zu haben, wenn ich präklinisch unterwegs bin. Und ich muss mich auch disziplinieren auf diese Reserven zurück zu greifen, so viel Zeit muss sein. Unterm Strich lohnt es sich. Und in der Praxis bin ich selber schuld, wenn ich nicht auf das bereitgestellte Mineralwasser und den Obstkorb zurück greife (Beispiel für Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz).

 

Ernährungsmedizin

Dieser Wälzer ist natürlich harter Tobak und ich möchte auch nicht behaupten, dass ich ihn im Gegensatz zu den anderen Büchern komplett durchgelesen habe. Aber es hat mir einen interessanten Einblick gegeben in die an sich hoch komplexe Welt der Ernährungsmedizin. Wir denken häufig nicht darüber nach, warum und was wir da essen. Für diese Sorglosigkeit geht es auch erstaunlich gut, dennoch wissen wir natürlich auch alle von den damit verbundenen großen Problemen. Ein „One size fits all“ gibt es aber auch hier nicht, sondern ganz individuelle Bedürfnisse und Grundvoraussetzungen. Ich sehe es aber nun viel mehr als zuvor als ärztlichen Auftrag an die Ernährung und den Patienten bzw. seinen Beschwerden in Verbindung zu setzen. Allerdings glaube ich auch, dass aktuell viel auch medial aufgebauscht wird, nicht zu letzt weil jemand mit irgendwelchen Botschaften dahinter Geld verdienen will. Da einen „gesunden“ Überblick zu bewahren ist auch für einen Mediziner nicht leicht bis unmöglich.

Auf jeden Fall bin ich froh ein „Allesfresser“ zu sein, denn alle z.T. fundamentalistisch ausgelebten Ernährungsgewohnheiten erscheinen mir nicht der Stein der Weisen zu sein, sondern man geht mitunter nicht unwesentliche Risiken für sich ein.

Mein Anfangstipp wäre: Mal ohne Einkaufszettel auf einen Markt und wenn es so etwas leider nicht mehr gibt dann halt in einen Supermarkt gehen. Das Handy sollte ausnahmsweise verstaut bleiben. Vielmehr sich mal mit all seinen Sinnen achtsam leiten lassen. Wie riecht es an welchem Stand bzw. Regal? Was bedeutet „esse bunt“? Wie fühlen sich die Produkte in den Fingern und dann später im Mund an? Welche Produkte sprechen mich wirklich an und welche stehen sonst nur aus Gewohnheit auf dem Einkaufszettel? Warum kaufe ich das Sonderangebot, wenn ich es doch eigentlich gar nicht kaufen wollte? Ich bin überzeugt es landen andere Lebensmittel im Einkaufskorb als sonst. Einen ähnlichen Versuch kann man dann beim Essen machen: Ablenkende Störgrößen weitestgehend ausschalten und dann wieder mit allen Sinnen das Essen nun zubereitet genießen! Warum riecht es nicht so wie es aussieht? Wie verändert sich der Geschmack wenn ich intensiv kaue? Warum esse ich weiter wenn ich doch eigentlich satt bin (ist kein Hunger mehr zu haben dasselbe?)?

Das Gute an diesen beiden Experimenten ist, dass es eigentlich keine zusätzlichen Kosten verursacht und sogar vielleicht mittelfristig kostengünstiger ist. Jedenfalls siegt Qualität über Quantität und man lernt viel über sich selbst und gewinnt an Lebensqualität.

 

Ich möchte mich jetzt wahrlich nicht als neuer Gesundheitsapostel aufspielen, davon gibt es schon genug und man braucht mich hierfür nicht. Wer mir dies nicht abnimmt darf mit mir gern an die Imbissbude oder den Fastfoodladen gehen, für mich muss es das manchmal einfach sein, aber lasst es uns bewußt und achtsam machen.