Mein DAC-Rückblick Tag 1

Nach einem abendlich-gemütlichen 9km-Sightseeing-Lauf durch Nürnberg und einem erholsamen Saunagang im Hotel komme ich nun dazu "meinen" Tag 1 des DAC 2018 revue passieren zu lassen. Es ist somit natürlich nur ein kleiner Ausschnitt dieser großen Veranstaltung mit über 3000 Teilnehmern - zudem beschränke ich mich auf meine persönlichen und somit höchst subjektiven Eindrücke.

Grundsätzlich habe ich heuer einen besseren Eindruck vom Kongress mit einem für mich sehr ansprechenden Programm und recht vielen Teilnehmern. Letztes Jahr habe ich mir schon fast Sorgen um die Veranstaltung gemacht. Wobei es schon auffällig ist, dass sich die Aussteller etwas gewandelt haben, da manche wichtige Hersteller dieses Jahr nicht vor Ort sind. Ich hoffe, dass dies der Veranstalter auch selbstkritisch festgestellt hat und wieder den Kontakt sucht.

Wer hätte es gedacht, ich habe meinen Kongresstag notfallmedizinisch ausgerichtet:

Begonnen habe ich mit der DAAF-Refresher-Sitzung "Notfallversorgung von Kindern". Dr. Jost Kaufmann aus Köln hat mit seinem Vortrag "Präklinische Versorgung von Kindernotfällen" gewaltig vorgelegt. In hoher Geschwindigkeit aber dennoch mit didaktischer Präzision und auch Humor fegte er durch das breite Feld der Kindernotfälle. Neben den "üblichen Inhalten" legte er seinen Fokus auf die Themen Patientensicherheit, Medikamentensicherheit, Kommunikation, Merkhilfen (insbesondere Notfalllineal) sowie häufige Fehlerquellen (Atemwegssicherung, i.o.-Zugang, usw.), womit er bei mir natürlich ins Schwarze getroffen hat. Dieser Start in den Tag und Kongress war auf jeden Fall ein Genuss und ich habe erneut wieder viele lehrreiche Impulse mitgenommen. Wer mal die Gelegenheit hat einen Vortrag von Dr. Kaufmann zu hören - unbedingt hingehen! Leider ging es dann etwas unangenehmer um nicht zu sagen peinlich weiter, da der nächste Referent leider sein Thema "Primärversorgung in der ZNA" falsch verstanden hatte (auch wenn er in der gleichen Klinik arbeitet wie die Vorsitzende), und garnicht auf die Notfallversorgung von Kindern eingegangen ist. Er stellte vielmehr die grundsätzliche Arbeitsweise und Organisation von ZNA dar, was für mich zwar höchste Relevanz besitzt, aber ich folgte dennoch den ca. 80% der Zuhörern aus dem Saal, denn ich hatte mich halt auf Kindernotfälle eingestellt und zudem war es auch didaktisch nicht gerade eine Sternstunde.

Weiter ging es dann nach einer Pause mit der Sitzung "Intoxikationen" unter dem humorvollen Vorsitz von Prof. Gries aus Leipzig. Nachdem die Bank der Vorsitzenden und Referenten zu Beginn noch Lücken aufwies (auch dies sollte nicht passieren und wenn, dann sollte der Vorsitzende natürlich darüber informiert sein), begann man mit dem Vortrag "Designerdrogen: Symptome und Therapie" von Prof. Andreas Schauer, dem Leiter der Giftnotrufzentrale Göttingen. Erfrischend locker und mitunter flapsig (aber ich liebe es!) ging Prof. Schaper nach einem historischen Exkurs insbesondere auf die Amphetamine/Ecstasy, synth. Cannabinoide und die synth. Opioide ein. Es wurde nochmal kritisch die Empfehlung diskutiert keine Betablocker bei Intoxikationen mit Sympathomimetika zu geben (weil sie eben nur die Betarezeptoren lahm legen und die überstimulierten Alpharezeptoren so ggf. noch mehr Schaden (wie Myokardischämie) anrichten können. Ebenso habe ich mir gemerkt, dass Intoxikationen mit Benzodiazepinen häufig Mischintoxikationen mit trizyklischen Antidepressiva sind und man daher möglichst auf die Gabe von Flumazenil (Anexate) verzichten sollte. Die Benzodiazepine stellen in diesem Fall nämlich oft einen segensreichen Krampfschutz dar. Zudem gibt es wohl so gut wie keine erfolgreichen Suizide mit p.o.-Benzodiazepinen. Auch auf Physostigmin soll man als Antidot verzichten (nur beim ZAS indiziert), da es wohl oft keinen Effekt und dafür nicht selten Herzrhythmusstörungen auslöst. Hingegen wurde für das gute alte Naloxon bei Intoxikationen mit Opioiden schon fast Werbung gemacht, denn es hat aus der potentiellen Gefahr der Entzugssymptomatik (die Dosis macht hier auch das "Gegen-"Gift) fast keine Nebenwirkungen. Danach trat Prof. Zausig aus Aschaffenburg ans Rednerpult und berichtete zum Thema "Lipid Resuscitation": Indikation und Durchführung". Hier wurde v.a. zwischen "local anesthetic systemic toxicity" LAST und non-LAST unterschieden. Bei schweren LA-Intoxikationen mit Reanimationssituationen ist die Wirkung nachgewiesen, bei hämodynamischer Instabilität wird die Indikation noch lebhaft diskutiert. Bei den non-LAST wie Antidepressiva, Antipsychotika, und Herz-Kreislaufmedikamenten ist die Datenlage noch nicht eindeutig. Es gibt vielversprechende Fallberichte, doch häufig ließ sich dieser Effekt dann bei ähnlichen Fällen nicht reproduzieren. Andererseits konnte man bisher auch keine negativen Effekte durch die Gabe von Lipidlösungen feststellen, so dass es mitunter ein gerechtfertigter individueller Heilversuch in frustran erscheinenden Fällen sein kann. Dabei scheint es umrelevant zu sein, in welcher Konzentration das Lipid vorliegt und welche Kettengröße es hat.

Abschließend war ich dann noch in der DAAF-Refresher-Sitzung "Notfallversorgung in besonderen Situationen". Zunächst referierte Prof. Wurmb aus Würzburg auch im Namen des DGAI-AK Taktische Medizin zum Thema "Notfallmedizinische Versorgung in Terror und Amoklagen".  Folgende Punkte dieses sehr interessanten Vortrages habe ich mir eingeprägt:

- Normalerweise bestimmt der Patient das Vorgehen, in einer Bedrohungssituation bestimmt hingegen die taktischen Lage das Vorgehen.

- Die Schutzziele sind: Eigenschutz und die Rettung möglichst Vieler.

- Ordnung des Raums: Unsicherer Raum (nur Polizei), teilsicherer Raum (Polizei sowie unter Schutz RD und Feuerwehr) mit geschützten Patientenablagen sowie den sicheren Raum (möglichst jedoch keine Behandlungsplätze, nochmalige Sichtung incl. Entwaffnung VOR der Notaufnahme in Beisein der Polizei.

- Strategie: 1.) Stopp das Töten 2.) Finde die Roten 3.) Clear up the scene immediately

- Verbluten ist Todesursache No 1, viel seltener ist es der Atemweg oder gar ein Pneumothorax

- Gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden muss geklärt werden, wann/wer/wie sichtet. Sinnvoll erscheint eine Abstufung zwischen Ersteinschätzung (Polizei, insbesondere grobe Anzahl der Betroffenen), Vorsichtung (RD mit dem Ziel der Erkennung sofort behandlungsbedürftiger Störungen), Sichtung (möglichst LNA) und dann erfolgt erst die weitere medizinische Versorgung.

Dann übernahm Dr. Björn Hossfeld vom BWK Ulm das Mikrofon und sprach in meinen Augen exzellent zum Thema "Blutungskontrolle prähospital". Die wichtigsten Punkte waren Folgende für mich:

- Ca. 2/3 der potentiell-vermeidbaren Todesfälle nach Traumen sind durch Verbluten verursacht.

- Vorstellung Kampagne "STOP the bleeding".

- Indikationen des Tourniquets. 

- Eskalationsstufen: Manuelle Kompression - Kompressionsverband (mit Packing der Wundhöhle!) - Tourniquets (Cave: steigt der RR eigentlich wieder erfreulich, so wird aus der Abbindung nicht selten eine Stauung mit erhöhtem Volumenverlust).

- Wenn vorhanden Einsatz von Hämostyptika bei kritischer Blutung.

- Abnahme von 1°C KKT bedeutet einen Funktionsabfall von 10% der Gerinnungsproteasen. Ab 35°C kommt es zu einem Thrombozytenpooling in Leber und Milz. Bei einem pH von unter 7,2 ist die Gerinnungsaktivität halbiert.

- Trauma induced coagulopathie (TIC): eigenständiges Krankheitsbild, ca. jeder vierte Traumpatient betroffen (nicht unbedingt abhängig von der Verletzungsschwere), vermutlich vermittelt durch Protein-C (Steigerung der antikoagulatorischen und fibrinolytischen Aktivität), die Mortalität erhöht sich um das 4-5fache.

- Jeder Patient mit dem Risiko einer Massivtransfusion sollte Tranexamsäure erhalten.

- Positive Erfahrungen mit "blood for forward" (präklinische Gabe von Blutprodukten), eine flächendeckende Vorhaltung erscheint bei aktueller Datenlage jedoch nicht sinnvoll. 

 

Mindestens genauso wichtig wie die Vorträge waren mir heute aber die vielen Begegnungen und wertvollen Gespräche mit Freunden und geschätzten Kollegen, die ich mitunter schon sehr lange nicht mehr gesehen habe. Ich denke diese "Netzwerk-Pflege" ist nicht zu unterschätzen und gibt mir auch persönlich immer sehr viel und geht weit weit über small talk hinaus. 

Ich bin schon sehr auf die kommenden zwei Tage auf dem DAC gespannt - es wird nachberichtet....