Herr Doktor, warum bekomme ich das Medikament nicht (mehr) auf Kassenrezept?

Diese Frage höre ich sehr häufig, und kann es manchmal auch nicht logisch erklären. Die gesetzlichen Krankenkassen prüfen die Verordnungen zunehmend „schärfer“ und nehmen ggf. den Verordner in Regress. Aber ein paar Begriffserklärungen machen es einfacher:

 

Wirksamkeit:

Diese muss für eine spätere Verordnungsfähigkeit zweifellos in mehreren klinischen Studien bewiesen werden. Ein „ich habe gehört, dass es geholfen hat“ bringt uns hier nicht weiter. So lässt ich das mit der Homöopathie auch erklären, denn hierfür gibt es keinen wissenschaftlich allgemein anerkannte Datenlage zur reproduzierbaren Wirksamkeit. Auch die selbst empfundene Wirkung kann nicht anerkannt werden („es tat mir gut“).

 

Indikation:

Eine Verordnung bedarf einer passenden Indikation. Das Medikament muss wie ein Schlüssel in das Schloss der Erkrankung passen, sonst ist es nicht erstattungsfähig. Wird ein Medikament nicht indikationsgerecht und somit ungerechtfertigt verordnet, steigt das Risiko durch Nebenwirkungen im Vergleich zu der erhofften Wirksamkeit an.

 

Zulassung:

Es mag ein sehr wirksames Medikament und prinzipiell auch bei der entsprechenden Erkrankung indiziert sein, wenn das Medikament keine entsprechende Zulassung besitzt ist es nicht verordnungsfähig. Dann spricht man auch vom sogenannten „off-label use“. Der Patient muss dann darüber und über das potentiell erhöhte Risiko aufgeklärt werden. Die Kosten müssen vom Patienten selbst getragen werden.

 

Erstattungsfähigkeit:

Auch wenn Wirksamkeit, Indikation und Zulassung gegeben sind, ist es den gesetzlichen Kassen gestattet selbst zu entscheiden, ob das entsprechende Medikament bezahlt wird. Gerade bei sehr günstigen Medikamenten kann bsp. sein, dass der Verwaltungsaufwand den Preis überschreitet. Oder man gehört zu einer Patientengruppe, bei der sich kein Benefit nachweisen ließ. Aktuelles Beispiel sind die Statine (Cholesterinsenker). Anhand eines Scores kann man berechnen, ob der Patient von der Einnahme einen Benefit hat in dem Sinne, dass sich schwere Ereignisse wie Schlaganfall oder Herzinfarkt reduzieren lassen. Und dies, obwohl das Medikament grundsätzlich wirksam ist sowie die Zulassung und Indikation besteht. Aber schlussendlich ließ sich kein Vorteil für die Subgruppe der Patienten nachweisen.

 

Prophylaxe:

Es gibt nur ganz wenige Medikamente, welche man prophylaktisch verordnen kann. Auch wenn man gehäuft an derselben Erkrankung leidet, kann man nicht vorsorglich schon mal ein Medikament auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse verordnen. Ein weiteres häufiges Beispiel ist der „Magenschutz“ im Rahmen eines stationären Aufenthalts. Ohne rechtfertigende Diagnose ist es nach der Entlassung nicht verordnungsfähig.

 

Sonstiges: 

Man kann nur Mengen bis zum Quartalsbedarf verschreiben, wenn man auch von einem anhaltenden Bedarf ausgehen kann. Also 100 Tbl Ibuprofen für einen verknacksten Fuß sind da kaum zu begründen. Weiter gibt es für eine Vielzahl von Erkrankungen Behandlungsleitlinien. Wünscht der Patient nun bsp. eine Drittlientherapie, obwohl das Erstlinientherapeutikum noch nicht probiert wurde, kann es kompliziert werden.

 

Aber warum ist nun alles so kompliziert? Zugegebenermaßen ärgere ich mich ja auch häufig darüber, weil ich doch einfach nur eine gute und hilfreiche Medizin machen will. Aber es ist nun mal so, dass im Bundesozialgesetzbuch geregelt ist, dass die gesetzlichen Kassen nur eine zweckmäßige und ausreichende Behandlung zu bezahlen haben. Und zwar nicht aus Geiz oder Gemeinheit, sondern weil es darum geht die Gesundheitsausgaben nicht ins Unermessliche steigen zu lassen. Daher steckt sogar ein nachvollziehbarer Sinn dahinter und eine darüberhinausgehende medikamentöse Wunschtherapie ist ja auch nicht verboten, sondern nur selbst zu bezahlen.

 

Kurzum: Es ist in diesem Fall wie so oft nicht so einfach wie man zunächst denkt. Gerade bei gutem Willen den Patienten gegenüber steckt keine Boshaftigkeit dahinter. Daher muss man auch nicht emotional werden, denn die empfundene Ungerechtigkeit ist vielleicht objektiv betrachtet gar nicht haltbar und somit unnötig.