Ich habe heute ja bereits über die Einführung von Metalyse berichtet, nun möchte ich noch etwas zum zweiten "Neuling" bei uns am Notarztstandort Todtnau schreiben: Seit wenigen Tagen führen wir Cyanokit mit und sollten damit nicht zuletzt wegen des stolzen Preises von ca 800€ pro Einzeldosis indikationsgerecht und verantwortungsvoll umgehen.
Vorneweg aber der wichtige Hinweis! Hier handelt es sich um meinen aktuellen (und womöglich Lücken- oder fehlerhaften Wissensstand) - daher kann ich für den Inhalt keine Gewähr übernehmen!
Die Substanz an sich: Der Wirkstoff von Cyanokit ist Hydroxocobalamin, was Viele eher unter dem Namen Vitamin B12 kennen. Es handelt sich um eine Flasche mit 5g des Wirkstoffes. Es liegt in einer rötlichen kristallinen Form vor und muss in 200ml NaCl oder zur Not kristalloiden Infusionslösungen oder G5% gelöst werden. Anschließend wird es bestenfalls allein über einen separaten Venenzugang innerhalb von 15 Minuten verabreicht. Verabreicht werden bei Erwachsenen zunächst 5g Hydroxocobalamin, ggf. kann eine weitere Gabe erwogen werden, womit dann aber die maximale Tagesdosis von 10g erreicht ist.
Die vorherige Gabe ist unbedingt bei der Patientenübergabe in der Zielklinik zu benennen und die Verwendung auch zu dokumentieren, weil es zu folgenden Erscheinungen kommen kann:
- Rotverfärbung der Haut, welche mit leichten Verbrennungen verwechselt werden kann.
- Rotverfärbung des Urin, ähnlich wie bei einer Makrohämaturie
- Probleme mit Dialysegeräten
...
Dinge mit denen man umgehen kann, vorausgesetzt man kennt die Ursache.
Eingesetzt wird Cyanokit bei Cyanidvergiftungen (Vergiftungen durch Blausäure). Für Cyanidvergiftungen kommen insbesondere drei Szenarien in Frage:
1.) Als Bestandteil von Rauchgasen (v.a. bei unvollständiger Verbrennung von Stickstoffverbindungen bzw. Kunststoffen)
2.) Freisetzung von Blausäuredämpfen in der Industrie
3.) Versuch der Eigen- oder Fremdtötung durch beabsichtigte Einnahme (u.a. historisch traurig berühmte "Zyankalikapsel")
Im Folgenden möchte ich mich auf die Rauchgasvergiftung beschränken, da sie die häufigste Vergiftungsursache mit Cyaniden ist.
Biochemisch kommt es durch die Cyanide zu einer Blockierung der Atmungskette in den Mitochondrien und somit zu einem "inneren Ersticken". Die Cyanide sind aber nur ein Bestandteil des "Giftcocktails" Brandrauch, neben CO2, CO und weiterer Gifte.
Daher sollte man bei der Behandlung der Rauchgasvergiftung insbesondere an die hochdosierte Sauerstoffgabe und ggf. Beatmung zur Aufrechterhaltung einer suffizienten Ventilation bzw. Verbesserung der Oxygenierung durch Überdruck denken. Verbessert sich daraufhin der Patientenzustand nicht und ist eine Blausäurevergiftung wahrscheinlich, so ist Cyanokit zu verwenden. Es soll somit definitiv nicht jedem Patienten mit Rauchgasinhalation gegeben werden, sondern nur im begründeten Ausnahmefall und vitaler Gefährdung.
Cyanokit steht erst seit 2007 zur Verfügung, davor hat man den Methämoglobinbildner 4-DMAP sowie Natriumthiosulfat verwendet, was aber oft mit schweren Neben- und Wechselwirkungen einher ging. Daher ist es heute Konsens, dass bei Verfügbarkeit Hydroxocobalamin trotz des hohen Preises verwendet werden soll.
Hier noch die Gebrauchsinformation zum Download: