Ärger mit einer privaten Krankenversicherung wegen Kostenübernahme eines Hubschraubereinsatzes

Heute habe ich die einsatzfreie Zeit im Notarztdienst genutzt um eine Richtigstellung an eine PKV zu verfassen. Ein ehemaliger Patient eines bodengebundenen Notarzteinsatzes von mir hat mich darum gebeten, weil er für die über 4000 Euro eines Rettungshubschraubereinsatzes selber aufkommen soll. Begründet wird es mit der fehlenden Indikation, was ich so auch fachlich nicht stehen lassen kann.

Übrigens: Es war weder die Luftrettungsfirma beteiligt, für die ich selbst tätig bin (also lasse ich den Vorwurf der Vorteilsnahme nicht zu) noch fordere ich leichtherzig und schnell einen RTH nach, sondern immer nach Prüfung der Indikation und Vorteil für den Patienten. Viele RTW-Besatzungen, welche ich schon bodengebunden durch den Schwarzwald in weiter entfernte Kliniken gescheucht haben können ein Lied davon singen, dass ich (für sie paradoxerweise) vergleichsweise selten einen RTH zum Transport nachfordere.

Mir ist es unverständlich, warum gerade mit PKV unerwartet häufig Kosten diskutiert werden müssen. Ich selbst bin übrigens stolzes Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ich sehe ja selbst großes finanzielles Optimierungspotential im Rettungswesen, aber wenn man so wie hier aufwendig eine "good clinical practice" begründen muss, ist es schon sehr mühsam und kostet mir viel Zeit, die ich lieber für meine mir anvertrauten Patienten oder meine eigene Fort- und Weiterbildung nutzen würde.

Selbst in meinen Augen gibt es in der hiesigen Region (zu) viele Hubschraubereinsätze verglichen mit anderen Gebieten der Republik. Dies liegt aber in meinen Augen nicht an der zu großzügigen Indikationsstellung sondern eher in der Topographie des Schwarzwaldes begründet und an der rechtlichen Maßgabe aus dem Rettungsdienstgesetz, den Patienten in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus zu verbringen. Durch das Kliniksterben und die Sparmassnahmen der oft kleineren Kliniken entsteht eine erhebliche Versorgungslücke sowie konsekutiv zu einem erhöhten Bedarf an langstreckigen Transportwegen in Versorgungszentren, welche 24/7/365 die entsprechenden Ressourcen vorhalten. Würden alle Transporte auch kritisch kranker und verletzter Patienten zwingend bodengebunden durchgeführt werden, würden diese Primärrettungsmittel längere Zeit in ihrem Einsatzgebiet fehlen, was wiederum zur gehäuften Nichteinhaltung der rechtlich verankerten Hilfsfrist bei weiteren Einsätzen führt, an der wir im ländlichen Raum eh ordentlich zu knabbern haben. Langfristig müßte so die Vorhaltung von Rettungsmitteln steigen um den öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Ich bezweifle, dass dies günstiger wäre als indikationsgerechte (medizinisch wie organisatorisch) Hubschraubereinsätze.

 

Warum ich dann hier auch noch zeitaufwändig darüber schreibe? Weil ich bekannt machen will wie bizarr und skandalös manchmal die Verhältnisse sind und um zu erklären warum ich eben immer (und nicht erst nach diesem Vorfall) auf einen ressourcenschonenden Einsatz im Sinne von und zum Vorteil für meine Patienten achte.

Auch wenn es für mich persönlich auch oft anders bequemer wäre, so gilt auch für mich persönlich die allgemein akzeptierte Maßgabe, dass jeder Notfallpatient ressourcenschonenend (finanziell, materiell und organisatorisch) aber schnellstmöglich und effektiv erstbehandelt in eine für die Behandlung geeignete Klinik gebracht wird (Next-Best-Prinzip). That's it! Dennoch bin ich gerne zu einer kritische Diskussion, auch mit den Kostenträgern, bereit.

 

Kleiner Nachtrag, das aktuell gültige Rettungsdienstgesetz (RDG) Baden-Württemberg von 2010 sieht es sogar schon fast lockerer als ich:

§ 1
Aufgabe des Rettungsdienstes

(2) Gegenstand der Notfallrettung ist es, bei Notfallpatienten Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens oder zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden einzuleiten, sie transportfähig zu machen und unter fachgerechter Betreuung in eine für die weitere Versorgung geeignete Einrichtung zu befördern. Notfallpatienten sind Kranke oder Verletzte, die sich in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht umgehend medizinische Hilfe erhalten.

 

Hier steht also nichts von "nächstgelegen". Zudem ist es ausreichend, wenn schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, ich muss also das Vorliegen eines Schadens also nicht vorab beweisen.

 

§ 8
Rettungsfahrzeuge

(2) Rettungstransporthubschrauber sind Hubschrauber, die ergänzend zum bodengebundenen Rettungsdienst insbesondere in der Notfallrettung nach § 1 Absatz 2 zum Einsatz kommen, sowie für Primär- oder Sekundärtransporte eingesetzt werden, bei denen die medizinische Versorgung des Patienten einen umgehenden Transport in ein geeignetes Krankenhaus erfordert. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend. Die luftfahrtrechtlichen Vorschriften sind zu erfüllen.

 

Hieraus geht somit eindeutig hervor, dass ein Hubschraubereinsatz rechtlich vertretbar ist und sogar gefordert ist, wenn sich daraus ein Zeitvorteil für den Notfallpatienten ergibt.

 

Hier mein anonymisierten Schreiben an die PKV:

 

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Brief an PKV 15.09.2019.pdf
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