Kleine Buchkritik: BÖSE von Dr. Julia Shaw

Es ist nicht gerade eine notfallmedizinische Literatur, dennoch habe ich das Bedürfnis Euch von diesem Buch zu berichten, welches ich gerade für meine Verhältnisse fast schon verschlungen habe.

 

Dr. Julia Shaw hat bereits schon einmal einen Bestseller geschrieben, welches ich absolut empfehlen kann, da ich viel dadurch gelernt habe: Das trügerische Gedächtnis

Da es jetzt um ihr neues Werk gehen soll, muss ich ihr großes Erstwerk vielleicht an anderer Stelle vorstellen, es ist jedenfalls für mich auch ein absolutes Muss.

 

BÖSE - DIE PSYCHOLOGIE UNSERER ABGRÜNDE heißt ihr neues Buch. Wissenschaftlich mit vielen Quellen belegt regt Shaw zu einer Vielzahl von Gedankenexperimenten an, was denn das BÖSE nun wirklich ist. Ich liebe es mein Hirn mit all den Voreingenommenheit mal aus zu hängen und mich in solche komplexen Fragestellungen zu vertiefen. Klar, man muss sich hierzu aber offen auf die schwierigen Themen einlassen, was nicht ganz trivial ist, weil gleich Meinungen und Emotionen hoch kochen. Was oder wer ist böse? Wie, mich hält auch jemand für böse? Warum? Hat der- oder diejenige sogar Recht oder kann man es zumindest argumentativ untermauern? Was ist normal und was pervers? Wenn etwas sehr häufig ist, kann es dann böse sein? Wo hört Empathie auf und wo fängt man an ein Psychopath zu sein? Wo endet ein gesundes Selbstwertgefühl und     -verständnis und wo beginnt Narzissmus? Ich füge Menschen annähernd täglich Schmerzen zu und es macht mir recht wenig aus, aber bin ich deswegen ein Sadist? Fragen über Fragen.....

Man kann dieses Buch sicher nicht 'en passant' lesen, weil es einen bindet und zugleich fordert. Mich haben die Gedankenspiele auch über die eigentliche Lesezeit hinaus beschäftigt, was ich aber als bereichernd empfunden habe. So halte ich es für wichtig, sich einmal ausführlich mit dem scheinbar bösen auseinander zu setzen, ebenso mit Ekel und schlimmen Grausamkeiten. Auch Enttäuschungen an der Menschheit an sich und sich selbst bleiben leider nicht aus, 

Trotzdem macht das Buch aber nicht nur traurig, sondern es fördert die Dinge objektiver und effektiver zu betrachten. Es reduziert Vorurteile und übergestülpte Meinungen.

 

Doch, es hilft mir auch als Notfallmediziner: Zum Einen habe ich gelegentlich mit Menschen zu tun, die als böse gelten und mein Berufsethos verlangt, dass ich dennoch professionell und möglichst emotionslos damit umgehen soll. Kann, soll muss ich dennoch auch empathisch sein? Wie kommt es, dass mich trotz meines guten Willens sicher schon Einige mich für böse gehalten haben? Was hat diese für mich schlimme Meinung ausgelöst? Sind diese Menschen böse, wenn sie so etwas von mir denken? Da beisst  es sich schon in den Schwanz....

 

Das Buch hat meine objektiven Sinne geschärft, die Subjektivität etwas eingebremst. Ich glaube mir wurde die Fähigkeit geschenkt dadurch nun offener und unvoreingenommener in menschliche Begegnungen hinein zu gehen. Das Buch ist keine leichte Lektüre, vielmehr inhaltlich harter Tobak, der aber gut lesbar ist. Ich kann nur empfehlen sich darauf ein zu lassen und Danke der Autorin für diese meine persönlichen Erfahrungen mit dem Buch.

 

Auf YouTube & Co finden sich auch einige Beiträge zur Autorin und zum vorgestellten Buch. Als sehr interessant habe ich es empfunden, wie sie bei kritischen Fragen argumentiert und welche Meinungen beispielsweise auch andere Talkshow-Gäste zu den Thesen aus dem Buch haben, was meinen inneren Dialog noch weiter angefeuert hat.