Mi mi mi - mir gehts nicht gut...Aber Alles hat ja bekanntlich auch sein Gutes!

Ich bilde mir ja ein, dass ich normalerweise zu den eher ausgeglichenen Menschen gehöre (was noch lange nicht bedeutet, dass ich mich für "normal" halte).

Aktuell bin ich allerdings schon recht angekekst, dysthym, schlecht drauf, genervt oder wie man es auch sonst nennen mag. Schlimm finde ich zudem, dass ich nicht einmal jemanden die Schuld dafür geben und zur Verantwortung ziehen kann.

Dieser blöde Sturz vor über drei Wochen hat mich doch mehr als befürchtet aus der Bahn geworfen. Ich fühle mich vom Behandlungsteam an der Uniklinik Freiburg durchgehend vom Unfalltag bis heute top betreut, da gibt es überhaupt nichts zu jammern. Es kann keiner was dafür, dass ich mir tatsächlich eine Fraktur eines Handwurzelknochens zugezogen habe, auch wenn ich es ja noch unmittelbar nach dem Sturz vehement ausgeschlossen habe und erst die eindeutigen CT-Bilder brauchte um es zu realisieren. Es war dann Pech, dass sich die Fraktur nicht operativ gut versorgen ließ und nun auch noch der Fixierungsdraht hinaus wanderte und entfernt werden musste. Ich habe die ausgestellten AU-Bescheinigungen ja immer herunter gespielt und gehofft ich könnte doch noch vorzeitig wieder arbeiten. Stattdessen bin ich dann doch immer mit Schamesröte in die Klinik gedappelt und habe eine weitere AU abgegeben.

Mir tun meine Kollegen so leid und es ist mir unglaublich peinlich, daß sie wochenlang für mich einspringen müssen, v.a. am Lorettokrankenhaus, aber auch an den Notarztstandorten.

Meine Hoffnung ist nur, dass meine liebe und Kraft spendende Familie nicht zu sehr von meiner schlechten Laune erfasst wird, aber diese Hilflosigkeit liegt mir überhaupt nicht. Unterschreiben kann ich mit Mühe, alles Weitere ist handschriftlich schlichtweg unlesbar, was mich noch mehr einschränkt. An der Tastatur ist es nur unwesentlich besser, auch dieser Text ist fast ausschließlich mit einer Hand entstanden.

ABER: Alles hat auch sein Gutes!!!

Man darf nicht immer nur Jammern, sondern mann muss auch das Gute daran erkennen. Hängen und gehen lassen ist auf Dauer keine Option.

1.) Meine Familie hat mehr von mir als sonst, denn wer mich kennt weiß, dass ich ansonsten eigentlich immer auf Achse und somit leider zu viel von der Familie weg bin. Ich merke bereits jetzt, wie das auch sonst gute Verhältnis zu den Kids nun noch besser, inniger und vertrauter geworden ist. Und eine Kommunikation mit meiner Frau ohne Zettel, WhatsApp &Co, sondern schlicht mündlich und direkt ist ja auch eine feine Sache ;-). Familiär und privat habe ich somit von der Pause profitiert, auch wenn es schon bedenklich bis peinlich und traurig ist, dass es dazu eine Verletzung gebraucht hat.

2.) Auch beruflich bringt mich diese Auszeit entschieden voran: Nicht nur, dass ich ausgiebig die Handwurzelknochen mit allem was dazu gehört wiederholt habe, sondern meine Einstellung zum Job. Nein, falsch, eben nicht Job: Meine ärztliche Tätigkeit wie auch immer ist für mich nicht nur ein Job und Lohnerwerb, sondern viel mehr. Mir fehlt die Arbeit am und mit den mir anvertrauten Patienten unglaublich, egal ob auf der Intensivstation oder im Notarztdienst. Ich vermisse unglaublich meine geschätzten Teamkollegen und Mitstreiter. Ich kann mit Stolz sagen, dass ich für meine ärztliche Tätigkeit brenne und ich daher hoch motiviert bin. Ich bin wild danach meine Expertise aus zu bauen und besser zu werden. Aber nicht nur fachlich, sondern dass ich auch achtsamer, umsichtiger und empathischer bin. Und dies alles nicht für mich, sondern für meine Patienten. Und da ich noch nie omnipotent war, bin und sein werde will ich weiterhin nicht ruhen mich nach meinen bescheidenen Möglichkeiten in der Lehre, Aus, Fort- und Weiterbildung zu engagieren und somit neue Kollegen egal welcher Profession in Ihrer Entwicklung zu begleiten. Ich kam die letzten Tage viel zum Nachdenken, wer mich wie positiv geprägt und voran gebracht hat, ich empfinde für diese Menschen eine tiefe Dankbarkeit und zugleich die moralische Verpflichtung selbst für andere den Unterschied zu machen (make the difference). Viele Menschen haben mir im Job zu unterschiedlichen Zeiten auf ganz unterschiedlichem Level viele Dinge beigebracht, viele tun dies aber nur zu geschätzt 70%, den Rest behalten sie vermutlich als Selbst- und Kompetenzschutz für sich. Ich will versuchen alles was ich weiß und kann (ist ja nicht viel) weiter zu geben, ich hab keine Angst davor, dass meine Kollegen besser werden als ich (denn dies halte ich für normal und macht mir keine Angst, sonst hätte ich auch eine Angststörung) und mir dadurch den Job wegnehmen - denn es gibt genug in unserem Business zu tun.

 

Jetzt weiß ich was für mich meine Tätigkeit ist: Sie ist nicht nur Beruf, sondern es gibt und gilt für mich wirklich den Begriff der Berufung und Passion (wer es in meinem Fall Obsession nennt darf es auch tun, ist vielleicht auch etwas dran). Neben meiner Familie ist mein Job Alles für mich und ich will Alles dafür tun gut, effektiv und empathisch  für meine Patienten da sein zu können.

 

So blöd die Verletzungspause auch ist und sie mich mehr als je vermutet gebeutelt hat, aber ich bin dennoch sehr dankbar für diese aufgezwungene Entschleunigung und Möglichkeit zur Selbstreflexion. Diese Form der Achtsamkeit geht sonst im trubligen Alltag schnell mal verloren bzw. gerät aus dem Blick.

Auf gar keinen Fall soll sich jetzt dafür jemand die Knochen brechen, aber ich kann nur raten sich dann auf andere Weise eine Denkpause zu sichern.

 

Es fällt mir aktuell nicht ganz leicht, aber ich muss, kann und darf eigentlich sagen: Daumen hoch!