Zusatzbezeichnung Palliativmedizin

Im Januar konnte ich nun auch meine Zusatzweiterbildung Palliativmedizin abschließen.

„Also noch eine Urkunde mehr an der Wand – wer’s braucht...“ könnte man da sagen. Aber genau so soll es nicht sein.

Aber ich werde auch kein Vollzeit-Palliativmediziner, dies würde ich vermutlich auch nicht schaffen und dazu ist auch die akutmedizinische Begeisterung zu groß.

Für mich ist diese Zusatzweiterbildung vielmehr ein Ausdruck der Haltung und ein Versprechen die Inhalte auch in meine anderen (Lehr-) Tätigkeiten ein zu bringen. Noch immer nimmt die Palliativmedizin in allen medizinischen Ausbildungsgängen einen viel zu kleinen Teil ein und man kann es als Lernender ohne weitere Konsequenzen auch getrost wegschieben. Ich halte dies auch nicht für böse Absicht, sondern nur für eine Art „Triage“ des Lernstoffs und man kommt auch bei dieser Thematik nicht umhin sich auch selbst mit Sterben und Tod auseinander zu setzen, was vielen Menschen nicht leichtfällt.

Ein Großteil der Bevölkerung bringt die Palliativmedizin eh gleich mit dem Thema Sterbehilfe in Verbindung, wobei dies nicht korrekt ist. Dabei ist es doch so prägnant im Leitspruch zusammengefasst: „Die Palliativmedizin gibt dem Leben nicht mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben!“

Die größten Problemfelder sind Symptomenkomplexe wie Schmerzen, Atemnot, Angst, Verdauungsstörungen, Verwirrtheit u.a. sowie die zumeist damit verbundene empfundene Hilflosigkeit der Patienten und deren Angehörige/Freunde.

Palliativmedizin kann nichts Unabwendbares wieder gut machen, und das Eingeständnis des nahen Todes fällt Allen nicht leicht. Aber es gibt ein ganzes Repertoire an institutionellen und medizinischen Hilfsmöglichkeiten, dem ausgerufenen Ziel näher zu kommen.

Dies gilt es auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und somit im Vorfeld viele Ängste zu nehmen. Andererseits muss und darf auch klargestellt werden, dass längst nicht jeder Sterbende auf palliativmedizinischen Beistand angewiesen ist. Es ist vielmehr eine tröstliche und hilfreiche Option, sollte es doch zu schweren Symptomen und damit Leid am Lebensende kommen.

 

Scheinbar schließen sich Notfall- und Palliativmedizin gegenseitig aus so denkt man. Die Einen kämpfen mit aller Macht gegen den Tod und die Anderen nehmen ihn selbstverständlich an und erwarten ihn teilweise sogar. Aber es ist überhaupt nicht so, denn beide Gebiete vereint das Bestreben Menschen in ihren sensibelsten Momenten des Lebens (und da gehört das Sterben unzweifelhaft auch dazu) bei zu stehen und Leid zu lindern. Trotzdem darf es nur eine absolute Ausnahme sein, dass der Rettungsdienst/Notarzt zu einer palliativen Situation gerufen wird. Warum? Weil der präklinischen Notfallmedizin die Zeit, die Ressourcen und auch die fundierte Ausbildung hierfür fehlt. Und schlußendlich landet der Patient dann doch oft im Krankenhaus, wobei dies für ihn nicht hilfreich und auch medizinisch nicht indiziert ist. Was gebraucht wird ist die noch immer nicht erreichte flächendeckende Vorhaltung von speziellen palliativmedizinischen Teams (SAPV) unterstützt von stationären Einrichtungen wie palliativmedizinischen Krankenhausstationen und Hospizen, sollte es doch nicht im heimischen ambulanten Umfeld machbar sein. Weiter bedarf es aber auch einer engen Verknüpfung zwischen Rettungsdienst und Palliativmedizin. Zwar kann man meistens nicht innerhalb kürzester Zeit den Patient in ein SAPV aufnehmen lassen und es Bedarf hierzu auch formell eines Antrags durch den Hausarzt o.ä., aber bereits angebundene Patienten, zu denen doch warum auch immer (in der Regel absolut nachvollziehbare Angst und Überforderungen der Angehörigen) der Rettungsdienst gerufen wird profitieren von der engen Anbindung der Institutionen. Dies hilft dann sehr die einzige Maxime zu erreichen, nämlich den Willen des Patienten umsetzen und erreichen zu können.

 

Und dieser Patientenwille ist häufig gar nicht so einfach zu erfassen, zumal wenn man den Patienten nicht kennt. Die Wünsche/Bedürfnisse des Patienten, der Angehörigen und selbst des Pflege- und auch Rettungsdienstpersonals können erheblich divergieren. Selbst die Sterbenden haben ganz unterschiedliche individuelle Wünsche an das Ende ihres Lebens. Dies ist übrigens ein ganz lohnender Ratschlag an Jedermann, egal in welchem Lebensabschnitt, sich darüber mal intensiv Gedanken zu machen. Ich kann hierzu weiterhin das Buch „Sterblich sein“ von Atul Gawande empfehlen, weil es auch diesen Aspekt sehr gut herausarbeitet. Gekrönt werden können diese Überlegungen dann mit der Verfassung einer aussagekräftigen aber auch individuellen Patientenverfügung, wozu meist auch etwas Hilfe benötigt wird. Und noch besser wie ein reiner Text sind auch parallele Gespräche mit den nächsten Bezugspersonen, die „im Fall der Fälle“ dann eh helfen werden den Patientenwillen dezidiert und gleichzeitig verständnisvoll um zu setzen. Nur zu schnell sind nämlich in vorgefertigten Patientenverfügung einschränkende und ablehnende Kreuzchen gesetzt, aber ertragen werden müssen die daraus entstehenden Konsequenzen auch immer von den Bezugspersonen. Um es für sie ertragbarer und leichter zu machen ist es wichtig ihnen auch abseits der schriftlichen Verfügung zu erklären, warum man welche Wünsche in bittender wie in ablehnender Hinsicht hat. Bei der Umsetzung dieser Zielsetzung hilft dann wiederum wenn notwendig die Palliativmedizin mit ihren vielfältigen Möglichkeiten, so schließt sich der Kreis (wie das Leben).